Pflichtteil-Anspruch Verjährung Alle Besonderheiten zur Verjährung des Pflichtteilsanspruchs auf einen Blick
Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteil verjährt innerhalb von 3 Jahren ab Kenntnis von Erbfall und Enterbung.
Zur Berechnung von Fristen brauchen Juristen zum einen die Fristdauer und den Fristbeginn.
Voraussetzung für den Beginn ist insbesondere, dass der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von seinem Pflichtteilsanspruch hat, also vom Erbfall und von seiner Enterbung. Das heißt, dass man nicht nur wissen muss, dass der Erblasser verstorben ist, sondern insbesondere muss man in der Regel auch Kenntnis von der letztwilligen Verfügung (Testament, Berliner Testament oder Erbvertrag) haben, durch welche man enterbt wurde. Denn nur aufgrund beider Voraussetzungen besteht der Pflichtteilsanspruch. Ist das der Fall, beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des entsprechenden Kalenderjahres, in dem die Kenntnis erlangt wurde.
Die Dauer beträgt von diesem Zeitpunkt an 3 Jahre.
Beispiel: Verjährungsfrist des Pflichtteilsanspruchs
Der Vater einer Tochter verstirbt im Dezember 2016. Es gibt ein Berliner Testament, in welchem die Tochter ausdrücklich enterbt wurde. Da die Tochter keinen Kontakt mehr zu Ihrem Vater hatte, erfährt sie durch Zufall im Dezember 2017 von seinem Tod. Sie meldet sich im Januar 2018 beim Nachlassgericht. Dieses übersendet Ihr das Testament des Vaters im Februar 2018.
Da die Tochter erst Februar 2018 von ihrem Pflichtteilsanspruch erfahren hat – der ja nur deshalb besteht, weil sie im Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurde – beginnt die Verjährung erst mit Schluss des Jahres 2018. Sie kann deshalb ihren Pflichtteilsanspruch bis zum Ende des Jahres 2021 geltend machen.
Merke: Der Pflichtteilsanspruch besteht nur aufgrund Eintritt des Erbfalls und der Verfügung von Todes wegen, welche den Angehörigen von der Erbfolge ausgeschlossen hat. Deshalb beginnt die Verjährungsfrist erst zu laufen, wenn beide Faktoren der oder dem Enterbten bekannt sind.
Ein Beispiel
Dezember 2016
Tod des Vaters
Dezember 2017
Kenntnis der Tochter über das Versterben ihres Vaters
Januar 2018
Meldung der Tochter beim Nachlassgericht
31.12.2018
Fristbeginn
31.12.2021
Ende: Verjährungsfrist
Der Pflichtteilsanspruch verjährt spätestens 30 Jahre nach Eintreten des Erbfalls.
Das bedeutet, hat ein Pflichtteilsberechtigter weder Kenntnis von seiner Enterbung oder von dem Erbfall, so gilt eine maximale Verjährungsfrist von 30 Jahren. Diese beginnt dann immer mit dem tatsächlichen Datum des Erbfalls.
Die Erblasserin stirbt im November 1990. Die Erblasserin und ihr Sohn hatten keinen Kontakt. Der Sohn erfährt erst im Januar 2021, von dem Tod seiner Mutter und seiner Enterbung. Mittlerweile sind seit dem Versterben der Erblasserin mehr als 30 Jahre vergangen. Das bedeutet, dass der Anspruch des Sohnes der Erblasserin verjährt ist. Denn bei der 30- jährigen Verjährungsfrist gilt: Fristbeginn mit dem tatsächlichen Datum des Erbfalles.
ALSO ACHTUNG: Warten Sie dennoch nicht allzu lange, um Ihren Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Da für die Wertberechnung des Nachlassbestands immer der Sterbetag das relevante Datum darstellt, erschwert sich die Nachlassermittlung naturgemäß, je länger dieses Datum zurückliegt.
Wann verjährt der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegenüber dem Erben verjährt ebenfalls gemäß §§ 195, 199 Abs.1 BGB nach der regelmäßigen Verjährungsfrist. Fristbeginn ist also ebenfalls Schluss des Jahres, indem der Anspruch entstanden ist und Kenntnis davon erlangt wurde.
Deshalb ist für die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruch vorausgesetzt, dass Kenntnis vom Erbfall und von der Schenkung vorliegen muss.
Anspruch gegen den Beschenkten
Der Erbe kann sich gegebenenfalls bezüglich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs auf Dürftigkeit berufen. Dann besteht der Anspruch gegen den Beschenkten selbst. Gemäß § 2332 Abs. 1 BGB verjährt der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten in 3 Jahren. Allerdings beginnt diese Verjährungsfrist bereits mit dem Erbfall. Hier ist die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten irrelevant.
Der Erblasser stirbt im März 2019. Er hinterlässt einen Sohn und eine Tochter, wobei der Wohn zum Alleinerben eingesetzt wird. Die Tochter des Erblassers wird sofort über den Tod sowie das sie von der Erbfolge ausschließende Testament informiert. Erst im Folgejahr (2020), erfährt die Tochter von Schenkungen, die Ihr Vater zu Lebzeiten gegenüber einer Pflegerin getätigt hat.
Die Verjährungsfrist bezüglich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs beginnt erst ab Ende 2020 zu laufen und endet somit mit Ende des Jahres 2023 gegenüber dem Bruder als Alleinerben. Anders jedoch bei Ansprüchen gegenüber der beschenkten Pflegerin: Diese kann sich bereits mit Ablauf des Jahres 2022 auf Verjährung berufen.
ACHTUNG: Gerade bei ergänzungsrelevanten Schenkungen, die einen erheblichen Teil des Vermögens der Erblasserin/des Erblassers ausmachen (wie insbesondere Immobilien) ist daher erhöhte Vorsicht hinsichtlich der Verjährung geboten. Denn häufig wird sich hier ein Erbe darauf berufen können, dass der Nachlass zur Zahlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht genügt. Insbesondere wenn der Erbe selbst Pflichtteilsberechtigter ist, kann dieser insoweit die Zahlung verweigern, als die Erbschaft selbst seinen Pflichtteilsanspruch bedient.
Verjährungshemmung
Droht der Ablauf der Verjährungsfrist beim Pflichtteil, so sollte man zu verjährungshemmenden Maßnahmen greifen.
Gemäß § 203 BGB wird die bestehende Verjährungsfrist durch schwebende Verhandlungen zwischen den beiden Parteien bzw. zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten gehemmt. Das heißt, wenn zwischen den beiden Parteien ernsthafte Verhandlungen geführt werden, so läuft die Verjährungsfrist grundsätzlich nicht weiter. Hier gilt eigentlich bereits schon jeder Meinungsaustausch über einen Anspruch und dessen Grundlage. Allerdings kann das tatsächliche Bestehen von Verhandlungen im Einzelfall sehr schwer nachweisbar sein. Reagiert beispielsweise eine der beiden Parteien nicht mehr, so liegen keine Verhandlungen vor und es fehlt folglich am Vorliegen der entsprechenden Hemmung.
Vor allem kann die Verjährung auch durch eine Klageerhebung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt werden. Bei einer solchen Klageerhebung muss allerdings nach einer Zahlung begehrt werden. Sprich es muss auf die Zahlung des Pflichtteils bestanden werden.
Liegt eine Konfliktbeseitigung ohne Klage im Interesse beider Parteien, können diese auch einen Verjährungseinredeverzicht (auch: Verjährungsverzicht) vereinbaren. Der Verjährungseinredeverzicht kann durch eine einseitige Erklärung des Schuldners (hier: der Erbe) erfolgen, indem er für eine gewisse Dauer auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Das bedeutet, dass die Erhebung der Verjährungseinrede bis zu dem vereinbarten Zeitraum ausgeschlossen ist.
Auch kann ein Anerkenntnis gemäß § 212 BGB zu einem Neubeginn der Verjährung führen. Dieses muss sich jedoch ausdrücklich auf den Zahlungsanspruch des Pflichtteils beziehen.
10-Jahres-Frist bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wird von der 10-Jahres-Frist umfasst. Gemäß § 2325 BGB müssen Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers berücksichtigt werden, um den Pflichtteilsergänzungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten zu ermitteln. § 2325 BGB umfasst allerdings nur Schenkungen, welche der Erblasser in den letzten zehn Jahren vorgenommen hat. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch enthält nach § 2330 BGB keine Anstandsschenkungen. Darunter fallen Zuwendungen wie z.B. für Hochzeit, Geburtstag, Weihnachten und Ähnliches.
Da die gesetzlich vorgeschriebene Frist 10 Jahre beträgt, schreibt § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB vor:
“Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt.”
Alle weiteren Schenkungen werden nach dem sogenannten “Abschmelzungsmodell” berechnet. Das bedeutet, je länger die Schenkung zurückliegt, desto geringer ist der einzurechnende Anteil.
Zeitpunkt der Schenkung | Anteil |
---|---|
1. Jahr vor dem Erbfall | 100 % |
2. Jahr vor dem Erbfall | 90 % |
3. Jahr vor dem Erbfall | 80 % |
4. Jahr vor dem Erbfall | 70 % |
5. Jahr vor dem Erbfall | 60 % |
6. Jahr vor dem Erbfall | 50 % |
7. Jahr vor dem Erbfall | 40 % |
8. Jahr vor dem Erbfall | 30 % |
9. Jahr vor dem Erbfall | 20 % |
10. Jahr vor dem Erbfall | 10 % |
Schenkung > als 10 Jahre | 0 |
Beispiel: Abschmelzungsmodell
Schenkungswert | Zeitpunkt der Schenkung | Anteil des Pflichtteilsergänzungsanspruchs |
---|---|---|
140.000 € | 3,5 Jahre vor dem Erbfall | 70 % → 98.000 € |
Da die Schenkung 3,5 Jahre vor dem Erbfall getätigt worden ist, beläuft sich der Anteil des Pflichtteilsergänzungsanspruches auf 70 %. Dadurch, dass der Schenkungswert der Immobilie 140.000 € beträgt, liegt der Wert des Pflichtteilsergänzungsanspruchs durch den Anteil von 70 % nun bei 98.000 €.
Ausnahme: Kein Fristlauf bei Eheleuten
Wird die Ehe aufgelöst, so beginnt auch hier die Zehn-Jahres-Frist nach § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB für Schenkungen unter Eheleuten.
Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten
In der Regel richtet sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben. Der Pflichtteilsberechtigte kann aber auch nach § 2329 BGB gegen den Beschenkten vorgehen. Man kann sich allerdings nur unter der Voraussetzungen gegen den Beschenkten wenden, wenn das Erbe für die Zahlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht ausreicht. Das bedeutet, ist der Nachlass nicht genügend, um den Pflichtteilsergänzungsanspruch erfüllen zu können, so richtet sich der Anspruch nach § 2329 BGB gegen den Beschenkten.
Ist also der Anspruch gegen den Beschenken gerichtet, so beläuft sich die Verjährungsfrist auf drei Jahre ab dem Erbfall. Die Verjährungsfrist beginnt, nach § 2332 Abs.1 zum Schutze des Beschenkten, mit Eintritt des Erbfalls zu laufen. Ob der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von der Schenkung hat oder nicht ist irrelevant. Das bedeutet, ist der Erblasser am 14.03.2017 verstorben, so verjährt der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten am 14.03.2020.
ALSO ACHTUNG: Ist der Anspruch gegen den Beschenkten gerichtet spielt es keine Rolle, ob der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von dem Erbfall und der Schenkung hat oder nicht.
Die Verjährungsfrist beläuft sich auf den Zeitpunkt des Erbfalles.
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