Kleines 1×1 des Pflichtteilsrechts Alles Wichtige zum Pflichtteil auf einen Blick

1. Was ist der Pflichtteil?

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Der Pflichtteil ist die gesetzlich festgeschriebene verPFLICHTende TEILhabe am Nachlass naher Angehörige in Deutschland. Dabei handelt es sich um einen Geldanspruch in Höhe der Hälfte des Erbteils gegen den bzw. die Erben. Diesen Anspruch haben Sie als Pflichtteilsberechtigte/r immer. Er kann Ihnen nur in ganz seltenen Ausnahmefällen entzogen werden.

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Das Gesetz sieht vor, dass bestimmten Angehörigen des Verstorbenen zumindest die Hälfte von dem, was das Gesetz im Regelfall als Anteil an der Erbschaft vorsieht, zusteht. Den Pflichtteilsberechtigten soll also in jedem Fall ein Minimum als finanzielle Vermögenssorge verbleiben. Der Gesetzgeber sieht insoweit zu Recht eine Pflicht zu einem Mindestmaß an Sorge bei bestimmten Verwandtschaftsverhältnissen.

Grundsätzlich steht der Pflichtteil den Pflichtteilsberechtigten immer zu. Eine vollständige Enterbung durch den Erblasser ist nur in krassen Ausnahmefällen möglich.

Das ist zum Beispiel der Fall, wenn derjenige dem Verstorbenen – oder einer dem Verstorbenen nahestehenden Person – nach dem Leben getrachtet hat. Hat der Sohn also versucht, Vater oder Mutter zu überfahren, kann ihm der Pflichtteil entzogen werden. Gleiches kann gelten, wenn der Betreffende wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde.

“Grober Undank”, der häufig im Testament als Grund für eine Enterbung vorgebracht wird, kann dagegen den Pflichtteilsanspruch nicht entfallen lassen.

Wie ermittelt man den Pflichtteil?
Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, der dem Pflichtteilsberechtigten ohne Enterbung zustehen würde.

Um den Pflichtteil zu berechnen, ist zunächst der gesetzliche Erbteil zu ermitteln. Er ist davon abhängig, wie viele Angehörige nach der gesetzlichen Erbfolge erbberechtigt sind. Die Angehörigen werden dabei in sogenannte Ordnungen unterteilt.

Zur 1. Ordnung gehören die Abkömmlinge des Erblassers, also seine Kinder, Enkel usw.

Zur 2. Ordnung gehören die Eltern des Erblassers und ihre Abkömmlinge, also vor allem Geschwister des Erblassers und deren Kinder.

Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge gehören zur 3. Ordnung.

Innerhalb einer Ordnung gilt das sogenannte Repräsentationsprinzip: Noch lebende Angehörige schließen ihre eigenen nachfolgenden Angehörigen von der gesetzlichen Erbfolge aus. Kinder des Erblassers gehen also zum Beispiel ihren Kindern, den Enkeln des Erblassers, in der gesetzlichen Erbfolge vor. Für den Pflichtteilsanspruch gilt das genauso.

Daneben ist zu berücksichtigen, dass Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit dem Erblasser gelebt haben, ebenfalls ein gesetzlicher Erbteil zusteht. Neben Verwandten der 1. Ordnung erbt der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner gemäß § 1931 Abs. 1 BGB zu ¼. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Schließlich muss der Wert des Nachlasses ermittelt werden, um den Pflichtteil zu berechnen. Also insbesondere die Wertgegenstände, Immobilien und Vermögen, aber auch Verbindlichkeiten bzw. Schulden. Maßgeblich ist der sogenannte saldierte Nachlass, also das Vermögen des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls, abzüglich aller Schulden und Verbindlichkeiten sowie der Beerdigungskosten.

Welche Werte werden für den Pflichtteil berücksichtigt?
Pflichtteilsberechtigte haben Anspruch darauf, mit der Hälfte des ihnen eigentlich zustehenden gesetzlichen Erbteils finanziell am Nachlass des Verstorbenen beteiligt zu werden.

Zum Nachlass gehören alle Vermögenswerte des Erblassers. Hierzu zählen zum Beispiel Immobilien, Bank- und ggf. Bargeldvermögen, Wertpapiere, Sparbücher, aber auch Schmuck, Antiquitäten und andere Wertgegenstände. Auch offene Forderungen des Verstorbenen werden berücksichtigt, zum Beispiel aus Lebens- oder Bausparversicherungen oder aus Vermietung, ebenso Gesellschaftsanteile an Unternehmen und Steuererstattungen.

Verbindlichkeiten, also Schulden des Erblassers, werden auch berücksichtigt und verringern den Wert des Nachlasses und damit den Pflichtteilsanspruch. Auch die Beerdigungskosten für den Verstorbenen können den Pflichtteil reduzieren. Vermächtnisse, die aus dem Nachlass zu leisten sind, werden dagegen für die Pflichtteilsberechnung nicht abgezogen.

Schließlich sind noch Schenkungen zu berücksichtigen, die der Verstorbene in den letzten zehn Jahren seines Lebens getätigt hat. Solche Schenkungen führen unter Umständen zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Bei Schenkungen an Ehegatten gilt diese Zehnjahresfrist nicht.

Habe ich als Pflichtteilsberechtigter Anspruch auf den Nachlass?
Nein. Da der Pflichtteilsberechtigte nicht selbst Erbe wird, hat er keinen Anspruch auf den Nachlass oder einzelne Gegenstände aus dem Nachlass (z.B. auf das Auto des Verstorbenen).

Der Pflichtteil ist ein reiner Geldanspruch gegenüber der Erbengemeinschaft. Deshalb sehen sich die Erben oft in der Defensive. Sie müssen die Zahlung an den Pflichtteilsberechtigten erbringen und dafür unter Umständen sogar erst einmal Nachlassgegenstände verkaufen.

Nur im Ausnahmefall kann sich der Erbe darauf berufen, dass sein eigener Erbteil nur gering ist oder die Zahlung an den Pflichtteilsberechtigten stunden.

Kann man den Pflichtteil vererben?

Ja. Gemäß § 2317 Abs. 2 BGB ist der Anspruch auf den Pflichtteil vererbbar und übertragbar. Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall. Stirbt der Pflichtteilsberechtigte nun, bevor er den Pflichtteilsanspruch geltend machen konnte oder seinen Pflichtteil von dem Erblasser erhalten hat, geht der Anspruch wie andere offene Forderungen auf seine eigenen Erben über.

Außerdem kann der Pflichtteilsanspruch auf andere übertragen, also abgetreten werden werden. Der Pflichtteilsberechtigte muss den Anspruch nicht selbst geltend machen.

Hat man bei einem Vermächtnis einen Pflichtteilsanspruch?
Wenn man in einer letztwilligen Verfügung, also einem Testament oder Erbvertrag, ein Vermächtnis erhalten hat, hat man gemäß § 1939 BGB einen Anspruch gegen die Erben auf Zuwendung dieses Vermächtnisses. Wurde zum Beispiel im Testament bestimmt, dass die Tochter das Auto des Erblassers als Vermächtnis erhält, besteht ein Anspruch auf Übergabe des Autos gegen die Erben.

Meistens handelt es sich dabei um einen bestimmten Gegenstand aus dem Nachlass oder einen Geldbetrag. Als Vermächtnisnehmer ist man grundsätzlich nicht selbst Erbe geworden, es sei denn, man wurde vom Erblasser als Erbe eingesetzt.

Falls man als Vermächtnisnehmer zu den pflichtteilsberechtigten Personen gehört, hat man außerdem einen Pflichtteilsanspruch. Gemäß § 2307 BGB besteht für den so Pflichtteilsberechtigten ein Wahlrecht: Er kann das Vermächtnis auszuschlagen und stattdessen den Pflichtteil verlangen. Will er das Vermächtnis behalten, besteht der Pflichtteilsanspruch daneben nur in Höhe der Differenz des Vermächtnisses zu dem gesetzlichen Pflichtteil. In obigem Beispiel könnte neben dem Auto daher noch ein Geldbetrag in der Höhe verlangt werden, die der Pflichtteil abzüglich des Wertes des Autos betragen würde.

Werden Geschenke auf den Pflichtteil angerechnet?
Wenn der Erblasser zu Lebzeiten dem Pflichtteilsberechtigten Geld oder Sachen geschenkt hat – sogenannte “Eigengeschenke” -, sind diese Geschenke gemäß § 2315 BGB auf den Pflichtteilsanspruch anzurechnen. Das gilt allerdings nur dann, wenn der Erblasser schon vor oder bei der Schenkung bestimmt hat, dass eine Anrechnung auf den Pflichtteil erfolgen soll. Nachträglich, zum Beispiel im Testament, kann eine solche Anrechnungsbestimmung nicht mehr erfolgen.

Sogenannte Anstands- oder Pflichtschenkungen des Erblassers zu Lebzeiten werden gemäß § 2330 BGB nicht berücksichtigt. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Urlaubs- oder Hochzeitsgeschenke oder Unterhaltsleistungen an Angehörige.

Geschenke, die der Erblasser zu Lebzeiten Dritten gemacht hat, werden im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs des Pflichtteilsberechtigten relevant. Diese Geschenke werden, wenn sie innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgten, dem Nachlass für die Berechnung des Pflichtteils fiktiv wieder zugerechnet. Hierbei ist das sogenannte Abschmelzungsmodell zu beachten. Für jedes Jahr, das zwischen dem Erbfall und dem Tag der Schenkung liegt, werden 10 Prozent vom Wert des Geschenks abgezogen.

Kommen sowohl Geschenke an den Pflichtteilsberechtigten als auch Geschenke des Erblassers an Dritte zusammen, erfolgte eine doppelte Anrechnung. Gemäß § 2327 Abs. 1 BGB wird das Geschenk, dass der Pflichtteilsberechtigte selbst erhalten hat, dem Nachlass genauso fiktiv zugerechnet wie das Geschenk an den Dritten. Hierdurch reduziert sich dann mittelbar der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten. Außerdem wird das Eigengeschenk wertmäßig auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch angerechnet. Die Zehnjahresfrist gemäß § 2325 Abs. 3 BGB gilt hierbei nicht.

Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch verjährt in der regelmäßigen Verjährungsfrist, also gemäß § 195 BGB in drei Jahren. Die Frist beginnt gemäß § 199 BGB mit dem Schluss des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Erbfall, aber auch von der Tatsache erhalten hat, dass er enterbt wurde. Die bloße Kenntnis vom Tod des Erblassers reicht also noch nicht. Es muss ebenfalls Kenntnis von der enterbenden Verfügung (Testament oder Erbvertrag) bestehen.

Der Pflichtteilsanspruch verjährt unabhängig davon spätestens 30 Jahre nach dem Erbfall. Der Anspruch auf den Pflichtteil geht zwar durch die Verjährung nicht unter. Wenn man seinen Pflichtteilsanspruch gegenüber den Erben geltend macht, können die sich aber auf Verjährung berufen und die Leistung verweigern.

Kann man auf den Pflichtteil verzichten?
Als Erbe kann man gemäß § 2346 BGB auf das Erbe, aber auch auf seinen Pflichtteil verzichten. In dem Fall schließt der Pflichtteilsberechtigte mit dem Erblasser einen Vertrag, in dem er auf die Geltendmachung des Pflichtteils verzichtet. Ein solcher Pflichtteilsverzicht wird selten abgeschlossen und meistens gegen eine Abfindung.

Der Pflichtteilsverzicht muss sich nicht auf den gesamten Nachlass beziehen, sondern kann auch eingeschränkt werden. Der Pflichtteilsverzichtsvertrag muss außerdem notariell beurkundet werden. Wenn der Erbfall bereits eingetreten ist, kann man mit den Erben auch einen Erlassvertrag schließen.

Gemäß § 2349 BGB erstreckt sich ein Erbverzicht grundsätzlich auch auf die Abkömmlinge des Erben, soweit nichts anderes bestimmt ist. Beim Pflichtteilsverzicht gilt das ebenso. Dies ist vom Gesetzgeber so vorgesehen, damit die Wirkung des Erb- bzw. Pflichtteilsverzichts erhalten bleibt. Sonst würde der Verzicht des Betreffenden, zum Beispiel eines Kindes des Erblassers, dazu führen, dass dessen eigene nachfolgenden Angehörigen – also zum Beispiel ein Enkel – in der Erbfolge nachrücken und selbst Pflichtteilsberechtigte würden. Der Enkel könnte dann trotz des Pflichtteilsverzichts seinen eigenen Pflichtteilsanspruch gegen die Erben geltend machen.

Kann man sich den Pflichtteil vorzeitig auszahlen lassen?
Gemäß § 2317 Abs. 1 BGB entsteht der Anspruch auf den Pflichtteil erst mit dem Erbfall. Der Pflichtteilsberechtigte kann seinen Anspruch also nicht vor dem Tod des Erblassers geltend machen. Das gilt auch dann, wenn er von seiner Enterbung schon vorher weiß.

Man kann aber schon zu Lebzeiten des Erblassers eine entsprechende Vereinbarungen treffen. Diese kann zum Beispiel so aussehen, dass man auf seinen gesetzlichen Pflichtteil verzichtet und sich dafür einen bestimmten Betrag auszahlen lässt. Ein solcher Pflichtteilsverzicht ist in der Regel zulässig.

2. Wem steht der Pflichtteil zu?

Welche Angehörigen haben ein Recht auf den Pflichtteil?

Das Recht auf den Pflichtteil steht insbesondere den Abkömmlingen – also vor allem Kindern oder Enkeln – und dem Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner zu. Als Kinder zählen sowohl leibliche, adoptierte sowie eheliche und uneheliche Kinder gleichermaßen. Auch den Eltern des Verstorbenen kann unter Umständen ein Pflichtteil zustehen.

Wenn die Abkömmlinge eines Verstorbenen, also z.B. die Kinder, enterbt wurden, steht ihnen ein Pflichtteil am Nachlass zu.

Hierbei zählen sowohl leibliche als auch adoptierte, eheliche als auch uneheliche Kinder gleichermaßen. Auch einem noch lebenden Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner steht auch ein Pflichtteil zu. Die Eltern sind unter Umständen ebenfalls pflichtteilsberechtigt, wenn der Verstorbene keine Nachkommen hat.

Ob ein Pflichtteilsanspruch besteht, hängt auch von der gesetzlichen Erbfolge ab. Die gesetzliche Erbfolge richtet sich nach einem komplexen System aus “Ordnungen”, “Stämmen” und “Linien”.

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Kann ich als Enkel den Pflichtteil geltend machen?
Als Enkel können Sie den Pflichtteil nur geltend machen, wenn Ihr Vater oder Ihre Mutter – also das jeweilige Kind des Verstorbenen – nicht mehr lebt.

Die gesetzliche Erbfolge richtet sich nach “Ordnungen” und “Stämmen”. Erben der 1. Ordnung sind die Abkömmlinge des Verstorbenen, also die Kinder, Enkel, Urenkel usw.. Erben der 2. Ordnung sind die Eltern und deren Abkömmlinge (also Geschwister, Neffen, Nichten usw.). Erben der 3. Ordnung sind die Großeltern und deren Abkömmlinge.

Wenn Erben der 1. Ordnung noch leben, schließen sie nachfolgende Erben – also ihre eigenen Abkömmlinge – von der gesetzlichen Erbfolge aus. Dies ist ist das sogenannte Repräsentationsprinzip. Ein Angehöriger, der einem anderen in der gesetzlichen Erbfolge vorgeht, “repräsentiert” damit den jeweiligen “Stamm”. Kinder schließen also – bezogen auf den Stamm – die Enkel und alle nachfolgenden Abkömmlinge aus. Dies gilt auch im Hinblick auf den Pflichtteilsanspruch.

Was steht mir als Bruder, Schwester, Vater oder Mutter zu?
Die Eltern des Verstorbenen, also Vater oder Mutter, können ebenfalls pflichtteilsberechtigt sein. Gemäß § 2303 BGB ist das dann der Fall, wenn der Verstorbene selbst keine Nachkommen hatte, also keine Kinder, Enkel oder Urenkel.

War der Verstorbene adoptiert, haben die Adoptiveltern einen Pflichtteilsanspruch. Für die leiblichen Eltern gilt das nur, wenn der Adoptierte bei der Adoption volljährig war.

Geschwister des Verstorbenen sind dagegen nicht pflichtteilsberechtigt. Ebenso wenig unverheiratete Lebensgefährten oder Verlobte. Geschwister werden auch dann nicht pflichtteilsberechtigt, wenn die Eltern versterben. Sie rücken zwar im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge in die Position der Eltern ein, wenn diese versterben, werden dadurch aber nicht pflichtteilsberechtigt.

Haben Adoptivkinder einen Pflichtteilsanspruch?
Das Pflichtteilsrecht von Adoptivkindern richtet sich u.a. danach, ob sie als Minderjährige oder Volljährige adoptiert wurden.

Bei der Minderjährigenadoption wird das Adoptivkind wie ein leibliches Kind behandelt. Es hat damit gegenüber den Adoptiveltern ein Erb- und ggf. Pflichtteilsrecht, nicht aber gegenüber den leiblichen Eltern.

Bei einer Volljährigenadoption erhält der Adoptierte ebenfall ein Erb- und Pflichtteilsrecht gegenüber den Adoptiveltern (bzw. dem Adoptivvater oder der Adoptivmutter). Gegenüber den leiblichen Eltern bleiben die Erb- und Pflichtteilsansprüche ebenfalls bestehen.

Haben Ehegatten einen Pflichtteilsanspruch?

Der überlebende Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner hat gemäß § 2303 Abs. 2 BGB einen Pflichtteilsanspruch.

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Die Höhe richtet sich u.a. danach, in welchem Güterstand die Ehe- oder Lebenspartner gelebt haben und ob noch weitere gesetzliche Erben vorhanden sind. Im Güterstand der Zugewinngemeinschaft beträgt der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehe- oder Lebenspartners neben Erben der 1. Ordnung – also insbesondere den Kindern – ¼. Außerdem hat er gemäß § 1371 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf den pauschalierten Zugewinnausgleich in Höhe von zusätzlich ¼ .

Wurde der überlebende Ehe- oder Lebenspartner enterbt, hat er auch kein Vermächtnis erhalten und lebten die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so kann der überlebende Ehe- oder Lebenspartner gemäß § 2303 Abs. 2 BGB seinen Pflichtteil geltend machen (sog. “kleiner” Pflichtteil). Daneben kann er gemäß § 1371 Abs. 2 BGB den Zugewinnausgleich verlangen. Der Pflichtteil beläuft sich in dem Fall auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ohne Berücksichtigung des pauschalierten Zugewinns.

Wurde der überlebende Ehe- oder Lebenspartner dagegen Erbe, fällt die Erbschaft aber z.B. nur gering aus, kann er stattdessen auch diese Erbschaft gemäß § 1371 Abs. 3 BGB ausschlagen und den sogenannten “großen Pflichtteil” geltend machen.

Kann man das Erbe ausschlagen und den Pflichtteil bekommen?
Grundsätzlich verliert man mit der Ausschlagung seine Erbenstellung und damit auch den Pflichtteilsanspruch.

Wenn die Erbschaft aber mit sogenannten “Beschränkungen und Beschwerungen” im Sinne von § 2306 BGB belegt ist, kann der pflichtteilsberechtigte Erbe die Erbschaft ausschlagen und trotzdem seinen Pflichtteil verlangen.

Das ist der Fall, wenn er durch die Einsetzung eines Nacherben oder eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt ist oder mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert wurde. Der Erbe hat in solchen Fällen ein Wahlrecht, ob er die Erbschaft trotzdem antreten oder lieber seinen Pflichtteil geltend machen will.

Habe ich als Vor- oder Nacherbe einen Pflichtteilsanspruch?
Wenn der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung vorsieht, dass jemand zunächst Vorerbe und jemand anderes als Nacherbe eingesetzt wird, geht der Nachlass zunächst auf den Vorerben über. Der Vorerbe unterliegt zwar den Beschränkungen gemäß §§ 2112 bis 2115 BGB und kann nur eingeschränkt über den Nachlass verfügen; er ist aber zunächst Erbe.

Wenn der Vor- oder Nacherbe zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis gehört, also zum Beispiel Kind des Erblassers ist, kann er auch seinen Pflichtteil geltend machen. Die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft bedeutet zwar keinen Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge im Sinne von § 2303 BGB. Gemäß § 2306 BGB liegt hierin aber eine Beschränkung, die dazu führt, dass der pflichtteilsberechtigte Erbe die Erbschaft ausschlagen kann und trotzdem seinen Pflichtteil erhält. Das gilt sowohl für den Vor- als auch für den Nacherben.

Habe ich als Ersatzerbe einen Pflichtteilsanspruch?
Ja. Eine Ersatzerbschaft bedeutet, dass der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung einen Erben bestimmt und jemand anderen als Ersatzerben vorsieht für den Fall, dass der Erbe zum Beispiel vor ihm verstirbt oder die Erbschaft ausschlägt. Nur wenn dieser Fall eintritt, kann der Ersatzerbe Ansprüche am Nachlass geltend machen.

Gehört der Ersatzerbe zu den pflichtteilsberechtigten Personen, kann er im Erbfall seinen Pflichtteil einfordern. Denn die Anordnung der Ersatzerbschaft bedeutet einen Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge gemäß § 2303 BGB, also eine Enterbung.

Kann mir der Pflichtteil entzogen werden?
Ja, aber nur in seltenen Ausnahmefällen. Der gesetzliche Pflichtteilsanspruch garantiert die Teilhabe am Nachlass auch dann, wenn der Erblasser dies eigentlich nicht wollte. Hat der Verstorbene im Testament verfügt, dass der Pflichtteilsberechtigte sogar den Pflichtteil nicht bekommen soll, ändert das nichts. Der Erblasser kann auch nicht in seinem Testament auf den Enterbten nach Leibeskräften “schimpfen” und damit hoffen, den Pflichtteilsanspruch zunichte zu machen. Auch dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte im Testament gar nicht erwähnt wird, behält er seinen Anspruch auf den Pflichtteil.

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Es gibt nur wenige Fälle, in denen der Pflichtteil entzogen werden kann. Gemäß § 2333 BGB ist das der Fall, wenn derjenige dem Erblasser oder einer ihm nahestehenden Person nach dem Leben trachtete. Aber auch dann, wenn sich Betreffende “eines Verbrechens oder schweren vorsätzlichen Vergehens” gegen der Verstorbenen oder einer ihm nahestehenden Person schuldig gemacht hat, kann ihm der Pflichtteil entzogen werden. Dasselbe gilt, wenn der Betreffende seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser böswillig verletzt hat oder wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde.

Die Entziehung des Pflichtteils muss im Testament angeordnet worden sein. Und: Wenn der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten noch zu Lebzeiten verziehen hat, kann er ihm gemäß § 2337 BGB den Pflichtteil nicht mehr aus diesem Grund entziehen.

Bekomme ich bei einem “Berliner Testament” einen Pflichtteil?
Ein sogenanntes Berliner Testament ist gemäß § 2269 BGB ein gemeinschaftliches Testament, bei dem sich die Ehe- oder eingetragenen Lebenspartner jeweils gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und im Regelfall bestimmen, dass erst mit dem Tode des zuletzt Versterbenden der Nachlass an einen Dritten, also vor allem die Kinder, vererbt wird. Auch wenn die Kinder meistens erst als Erben des zuletzt versterbenden Ehegatten oder Lebenspartner vorgesehen werden, gibt es für das Berliner Testament verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten mit entsprechenden Konsequenzen für die Erben.

So kann auch eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet werden, bei der der Ehe- oder Lebenspartner als Vorerbe eingesetzt wird und Dritte, also zum Beispiel die Kinder, als Nacherben. In dem Fall können die Kinder schon beim Tod des Erstversterbenden das Erbe ausschlagen und gemäß § 2306 BGB ihren Pflichtteil verlangen.

Es kann aber auch die oben genannte Voll- und Schlusserbfolge angeordnet werden, bei der der Ehe- oder Lebenspartner zunächst Vollerbe wird und die Kinder Schlusserben. In dem Fall werden die Kinder Erben des letztversterbenden Ehe- oder Lebenspartners. Da diese Gestaltung eine Enterbung der Kinder darstellt, können sie ihren Pflichtteil schon nach dem Tod des Erstversterbenden einfordern.

Um den länger lebenden Ehegatten zu schützen, enthalten Berliner Testamente oft eine Pflichtteilsstrafklausel, die vorsieht, dass der Schlusserbe enterbt wird, wenn er schon nach dem Versterben des ersten Ehe- oder Lebenspartners seinen Pflichtteil einfordert. In dem Fall bleiben die Kinder nur dann Schlusserbe, wenn sie zunächst auf die Geltendmachung des Pflichtteils verzichten.

3. Wie bekomme ich meinen Pflichtteil?

Wir unterstützen Sie gerne dabei, Ihren Anspruch angemessen durchzusetzen.

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Während man als Erbe quasi automatisch Eigentümer des Vermögens des Erblassers wird (sogenannter “Vonselbsterwerb”), muss der enterbte Pflichtteilsberechtigte aktiv werden und seinen Pflichtteil einfordern. Den Pflichtteil muss man gegenüber dem oder den tatsächlichen Erben geltend machen, und nicht, wie oft fälschlich angenommen, gegenüber dem Nachlassgericht.

Wer enterbt oder im Testament explizit nicht erwähnt wird, hat ggf. einen Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil. Der Pflichtteil am Nachlass ist für einen eng begrenzten Personenkreis vorgesehen. So können die Abkömmlinge, also insbesondere die Kinder (oder ggf. Enkel und Urenkel) den Pflichtteil geltend machen, aber auch Ehegatten und eingetragene Lebenspartner und unter Umständen sogar die Eltern des Verstorbenen.

Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch, der gegenüber den Erben geltend gemacht wird.

Gerade wenn man sich fremd geworden ist, der Pflichtteilsberechtigte zum Beispiel zum Verstorbenen ein angespanntes oder gar kein Verhältnis mehr hatte, wird die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs von den Erben oft als Eingriff empfunden. Wenn die Fronten verhärtet sind oder schon seit Jahren kein Kontakt mehr besteht, gestaltet sich die Geltendmachung des Pflichtteils für Betroffene oft schwierig.

Wir unterstützen Sie gerne dabei, Ihren Anspruch angemessen durchzusetzen.

Wie erfahre ich von meinem Pflichtteilsanspruch?
gesetzliche_erbfolge_pflichtteilHat man Kenntnis von einem Todesfall in der Familie und geht aus bestimmten Gründen davon aus, enterbt worden zu sein, sollte man am besten selbst aktiv werden. Generell erfährt man zwar von dem zuständigen Nachlassgericht, welches das Testament bzw. die letztwillige Verfügung von Todes wegen eröffnet hat, von dem Erbfall. Wird der Pflichtteilsberechtigte aber in dem Testament gar nicht erwähnt und äußern sich auch die anderen Erben nicht dazu, wird das Gericht ohne weitere Anhaltspunkte nicht nach potenziellen Miterben oder Pflichtteilsberechtigten ermitteln.
Wo macht man den Pflichtteil geltend?
Den Pflichtteilsanspruch macht man bei den Erben geltend, nicht etwa beim Nachlassgericht.

Gibt es mehrere Erben, richtet sich der Pflichtteilsanspruch gegen alle Erben gemeinsam, die sogenannte Erbengemeinschaft. Die Erben haften gemäß § 1967 BGB gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten und damit auch für die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs. Der Pflichtteilsberechtigte kann sich einen der Erben aussuchen, an den er sich wendet, um seinen Pflichtteil geltend zu machen.

Was ist ein Nachlassverzeichnis?
Wer seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht, hat gegenüber den Erben gemäß § 2314 BGB auch einen Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch. Die Erben sind also verpflichtet, über den Bestand des Nachlasses des Verstorbenen Auskunft zu geben und den Wert zu beziffern, damit der Pflichtteil errechnet werden kann. Auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten müssen die Erben ein entsprechendes Bestandsverzeichnis mit den relevanten Vermögenspositionen und Verbindlichkeiten vorlegen, ein sogenanntes “Nachlassverzeichnis”.

Das Nachlassverzeichnis muss die Vermögenssituation zum sogenannten Stichtag, also dem Tag des Erbfalls abbilden. Eine besondere Form ist nicht vorgeschrieben. In der Regel wird ein Nachlassverzeichnis aber in Aktiv- und Passivpositionen unterteilt, also ähnlich wie eine Bilanz aufgebaut, um einen klaren Überblick zu haben.

Was ist der Unterschied zum notariellen Nachlassverzeichnis?
Ein notarielles Nachlassverzeichnis ist ein Nachlassverzeichnis, das von einem Notar erstellt wird. Inhaltlich unterscheidet es sich grundsätzlich nicht von einem einfachen Bestandsverzeichnis, wie es die Erben selbst erstellen können.

Der Vorteil eines notariellen Nachlassverzeichnisses liegt u.a. darin, dass der Notar Prüfungs- und Ermittlungspflichten hat und umfassendere Einsichtnahmerechte. Außerdem kann es sicherlich ein Vorteil sein, wenn ein objektiver Dritter den Bestand des Nachlasses prüft. Die Erben sind verpflichtet, ein notarielles Nachlassverzeichnis zu erstellen, wenn der Pflichtteilsberechtigte das verlangt. Allerdings gehen die Kosten hierfür als Verbindlichkeit von Todes wegen zu Lasten des Nachlasses und schmälern damit auch mittelbar den Pflichtteil des Pflichtteilsberechtigten.

Brauche ich bei einer Immobilie ein Verkehrswertgutachten?
Wenn im Nachlass eine Immobilie vorhanden ist, kann sich Ermittlung des Wertes, der für diese Immobilie anzusetzen ist, als schwierig erweisen. Mit einem Verkehrswertgutachten – oder auch Wertermittlungsgutachten – lässt sich der Marktwert, den die betreffende Immobilie hat, durch einen Sachverständigen festlegen.

Der Vorteil liegt darin, dass der Sachverständige den Wert der Immobilie mit entsprechender Sachkenntnis und Erfahrung abschätzen kann und weiß, welche wertbildenden Faktoren zu berücksichtigen sind. Der Verkehrswert wird objektiv und auf Basis vorgegebener rechtlicher Bedingungen – wie der Immobilienwertermittlungsverordnung, der ImmoWertV – festgelegt.
Der Immobilienwert wird auf diese Weise außerdem von einem objektiven Dritten ermittelt.

Ein Nachteil ist dagegen in den Kosten zu sehen, die für ein umfangreiches Gutachten anfallen. Diese Kosten gehen zu Lasten des Nachlasses und schmälern dadurch auch mittelbar den Pflichtteil.

Bekomme ich auch Verzugszinsen auf den Pflichtteil?
Grundsätzlich hat der Pflichtteilsberechtigte auch Anspruch auf Verzugszinsen, wenn die Erben nicht zahlen, und zwar gemäß § 288 Abs. 1 BGB in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus der Tatsache, dass der Pflichtteil mit dem Erbfall fällig wird und der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Auszahlung hat. Mahnt er die Auszahlung an, gerät der Erbe in Verzug. Auch mit der Einreichung einer Klage bei Gericht kann der Pflichtteilsberechtigte die Erben in Verzug setzen.

Können die Erben mir den Pflichtteil verweigern?
Die Erben haben die Möglichkeit, sich mit dem Einwand der “Pflichtteilsunwürdigkeit” zu verteidigen. Das ist nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen möglich, denn grundsätzlich soll den pflichtteilsberechtigten Personen ihre Mindestteilhabe am Nachlass des Verstorbenen erhalten bleiben. Gemäß § 2345 BGB können die Erben sich auf die in § 2339 BGB normierten Gründe berufen. Pflichtteilsunwürdigkeit ist zum Beispiel gegeben, wenn der Betreffende den Erblasser vorsätzlich getötet hat oder töten wollte oder die Errichtung eines Testaments verhindert hat.

Die Erben können außerdem unter Umständen gemäß § 2331a BGB eine Stundung des Pflichtteils verlangen, also die Zahlung zunächst einmal aussetzen, wenn die sofortige Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs für die Erben eine unbillige Härte darstellen würde.

Macht der Pflichtteilsberechtigter einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen die Erben geltend, können die Erben die Zahlung gemäß § 2328 BGB verweigern, wenn ansonsten das ihnen verbleibende Erbe unterhalb des Betrages ihres eigenen gesetzlichen Pflichtteils liegen würde.

Was mache ich, wenn die Erben nicht zahlen?
Wenn die Erben den zustehenden Pflichtteil nicht auszahlen, kann der Pflichtteilsberechtigte Klage einreichen.

Wer diesen Schritt vermeiden will, kann versuchen, sich gütlich mit den Erben zu einigen. Gibt es nachvollziehbare Gründe, warum die Erben trotz feststehenden Pflichtteilsanspruchs nicht zahlen wollen, und hat man im Grunde ein gutes Verhältnis, so kann der Pflichtteilsberechtigte zum Beispiel eine Raten- oder Stundungsvereinbarung anbieten.

Außerdem besteht die Möglichkeit, den Pflichtteilsanspruch zur Einziehung abzutreten.

4. Welche Arten von Pflichtteilsansprüchen gibt es?

Pflichtteil, Zusatzpflichtteil oder Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Der Pflichtteilsberechtigte hat zunächst einen Anspruch auf den “ordentlichen Pflichtteil”, also einen Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil gegenüber den Erben. Es können sich aber noch weitere Ansprüche ergeben, insbesondere der “Pflichtteilsergänzungsanspruch” und der sogenannte “Zusatzpflichtteil” oder auch “Restpflichtteil”.

Ein Pflichtteilsberechtigter hat einen Anspruch auf die Hälfte des gesetzlich vorgesehenen Erbteils, den Pflichtteil. Wenn der Verstorbene vor seinem Tod Schenkungen vorgenommen hat, kann der Pflichtteilsberechtigte unter Umständen einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen. Der Wert des geschenkten Gegenstandes kann – abhängig davon, wieviel Zeit zwischen Schenkung und Erbfall verstrichen ist – auf den Nachlass angerechnet werden und damit den Pflichtteil erhöhen (oder eben “ergänzen”).

Anders verhält es sich mit dem Zusatzpflichtteil. In dem Fall wird der restliche Pflichtteil zu der Erbschaft zusätzlich geltend gemacht.

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Wann bekomme ich einen Zusatzpflichtteil?
Wenn Sie als grundsätzlich Pflichtteilsberechtigter – also zum Beispiel Tochter oder Ehegatte des Verstorbenen – als Erbe eingesetzt wurden, die Erbschaft aber in ihrem Wert hinter dem zurückbleibt, was Ihnen als Pflichtteil zusteht, können Sie die Differenz gemäß § 2305 BGB als Zusatzpflichtteil geltend machen. Hierbei handelt es sich um einen reinen Geldanspruch.

Wenn Sie von dem Verstorbenen Gegenstände oder eine Immobilie erhalten haben, muss zunächst deren Wert festgestellt werden. Ist der Wert niedriger als Ihr Pflichtteilsanspruch, können Sie den Rest gegenüber den anderen Erben einfordern. Bei der Berechnung bleiben Beschränkungen und Beschwerungen – also die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers, eine Teilungsanordnung, ein Vermächtnis oder Auflagen auf die Erbschaft – unberücksichtigt.

Kann ich als Ehegatte den Zusatzpflichtteil geltend machen?
Der überlebende Ehegatte ist gemäß § 2303 Abs. 2 BGB pflichtteilsberechtigt.

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Wurde der überlebende Ehe- oder Lebenspartner enterbt, hat er auch kein Vermächtnis erhalten und lebten die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so kann der überlebende Ehe- oder Lebenspartner gemäß § 2303 Abs. 2 BGB seinen Pflichtteil geltend machen (sog. “kleiner” Pflichtteil). Daneben kann er gemäß § 1371 Abs. 2 BGB den Zugewinnausgleich verlangen. Der Pflichtteil beläuft sich in dem Fall auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ohne Berücksichtigung des pauschalierten Zugewinns.

Wurde der überlebende Ehe- oder Lebenspartner dagegen Erbe, fällt die Erbschaft aber z.B. nur gering aus, kann er stattdessen auch diese Erbschaft gemäß § 1371 Abs. 3 BGB ausschlagen und den sogenannten “großen” Pflichtteil geltend machen.

Wenn die Erbschaft hinter dem “großen” Pflichtteil wertmäßig zurückbleibt, kann der Ehe- oder Lebenspartner auch einen Anspruch auf den Zusatzpflichtteil in Höhe der Differenz zwischen dem erhaltenen Erbe und dem Pflichtteil geltend machen.

Wann verjährt der Anspruch auf den Zusatzpflichtteil?
Der Anspruch auf den Zusatzpflichtteil ist an sich ein echter Pflichtteilsanspruch. Er verjährt daher wie der Pflichtteilsanspruch gemäß §§ 195, 199 BGB innerhalb von drei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Erbe Kenntnis vom Erbfall und den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat.
Kann man den Zusatzpflichtteil umgehen?
Der Anspruch auf den Zusatzpflichtteil ist quasi ein Pflichtteilsanspruch – eben in Höhe der Differenz zwischen dem erhaltenen Erbe und dem zustehenden Pflichtteil.

Dieser Anspruch lässt sich nicht einfach umgehen, indem man zum Beispiel im Testament bestimmt, dass der Erbe “auf keinen Fall mehr erhalten soll als die Erbschaft”. Wenn der Erbe pflichtteilsberechtigt ist – also z.B. als Kind oder Ehegatte -, steht ihm immer eine Beteiligung am Nachlass in Höhe des Pflichtteils zu. Der Erblasser kann zwar bestimmen, dass die Erbschaft nur unter der Bedingung erfolgt, dass der Erbe keinen Zusatzpflichtteil geltend macht. Bei einer solchen Anordnung kann derjenige aber das Erbe ausschlagen und gemäß § 2306 BGB den vollen Pflichtteil verlangen.

Wann hat man einen Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Pflichtteilsberechtigte können einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen. Das bedeutet: Wenn der Verstorbene zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen hat, sind diese für die Pflichtteilsermittlung fiktiv auf den Nachlass anzurechnen. Hierbei gilt, sofern es sich nicht um Schenkungen an den Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner handelt, eine Zehnjahresfrist.

Bei einer sogenannten “gemischten Schenkung”, bei der sich der Beschenkte zu einer Gegenleistung verpflichtet, kann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht werden, wenn die Gegenleistung unterhalb des Wertes der Schenkung liegt. Für den Pflichtteilsergänzungsanspruch ist dann der Differenzbetrag zwischen dem Wert des Geschenks und dem Wert der Gegenleistung maßgeblich.

Wie berechnet man den Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Wenn der Verstorbene innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall etwas verschenkt hat – von sogenannten “Anstandsschenkungen” wie Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenken abgesehen -, werden diese Geschenke dem Nachlass wieder zugerechnet. Hierbei gilt das sogenannte Abschmelzungsmodell: Für jedes Jahr, das seit der Schenkung bis zum Erbfall vergangen ist, wird für die Berechnung des Nachlasses von dem Geschenk ein Wert von 10% abgezogen.

Das heißt: Stirbt X am 31.12.2021 und hat am 30.12.2015 Y ein Geschenk gemacht, wird dieses Geschenk rechnerisch noch mit einem Wert von 40% für den Nachlass angesetzt.

Geschenke, die mehr als zehn Jahre zurückliegen, bleiben unberücksichtigt, wenn es sich nicht um Geschenke an Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner handelt. In dem Fall beginnt die Zehnjahresfrist nicht vor Auflösung der Ehe bzw. Partnerschaft zu laufen.

Kann man den Pflichtteilsergänzungsanspruch umgehen?
Wer den Pflichtteil eines Angehörigen umgehen möchte, wird häufig Wertgegenstände schon zu Lebzeiten verschenken, um den Nachlass – und damit auch den Pflichtteil – zu verringern. Gerade dafür wurde der Pflichtteilsergänzungsanspruch geschaffen.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch kann nicht einfach, zum Beispiel durch eine Formulierung im Testament oder Erbvertrag, ausgeschlossen werden. Wem der Pflichtteil zusteht, der soll auch zu seinem Recht kommen. Daher sind Schenkungen des Erblassers, die innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall erfolgten, zu berücksichtigen. Schenkungen unter Ehegatten sind sogar ohne diese Frist zu berücksichtigen. Auch bei Schenkungen, die mit einem Nießbrauch verbunden sind, läuft die Zehnjahresfrist nicht.

Bestimmte Zuwendungen, sogenannte “Ausstattungen”, werden allerdings nicht als Schenkungen angesehen. Gemäß § 1624 BGB zählen hierzu Geld oder sonstige Zuwendungen, die der Erblasser zum Beispiel seinen Kindern für eine Eheschließung oder eine Ausbildung zukommen lässt.

Kann man Geschenke wieder zurückfordern?
Als Pflichtteilsberechtigter hat man einen Pflichtteilsergänzungsanspruch, also einen Anspruch auf wertmäßige Berücksichtigung des Geschenks im Rahmen der Nachlassberechnung, wenn die Schenkung innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgte. Hiermit wendet man sich an die Erben. Die Erben sind dafür verantwortlich, die Geschenke des Erblassers dem Nachlass wieder rechnerisch hinzuzuzählen und den Pflichtteil auf Basis dieses sogenannten “fiktiven Nachlasses” zu berechnen und auszuzahlen.

Grundsätzlich hat der Pflichtteilsberechtigte keinen Anspruch darauf, dass das Geschenk tatsächlich wieder zurückgegeben wird. Wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsergänzungsanspruch bei den Erben nicht durchsetzen kann, hat er aber gemäß § 2329 BGB einen Anspruch gegen den Beschenkten. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Erbe geltend machen, dass ihm bei Erfüllung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs sein Erbe nicht einmal mehr in Höhe seines eigenen Pflichtteils verbleiben würde. In dem Fall kann die Herausgabe des Geschenks tatsächlich verlangt werden.

Schließen sich Zusatzpflichtteil und Pflichtteilsergänzung aus?
Nein. Der Anspruch auf den Zusatzpflichtteil und der Pflichtteilsergänzungsanspruch gehen in verschiedene Richtungen. Der Zusatzpflichtteil ist der Anspruch eines Erben auf einen zusätzlichen Betrag in Höhe der Differenz zu seinem gesetzlichen Pflichtteil. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch steht einem Pflichtteilsberechtigten zu, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen hat. Diese sind unter bestimmten Bedingungen dem Nachlass “fiktiv” zuzurechnen, sodass sich auch der Pflichtteil erhöht.

Da aber auch ein Erbe pflichtteilsberechtigt sein kann – als Abkömmling, Ehegatte bzw. eingetragener Lebenspartner oder ggf. Elternteil -, können beide Ansprüche parallel zum Zuge kommen. Ein pflichtteilsberechtigter Erbe kann den Zusatzpflichtteil in Höhe der DIfferenz zwischen der Erbschaft und dem ihm zustehenden Pflichtteil geltend machen.
Er kann auch gemäß § 2325 BGB einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen. Und sogar ein Erbe, der die Erbschaft ausschlägt, hat einen Pflichtteilsergänzungsanspruch.

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